FRAU APPENDIX
3. Oktober 2018
FRAU APPENDIX
3. Oktober 2018

DAS VISA FÜR CHINA

Ni Hao

Ich guck im Kalender nach und bemerke, dass es bereits gegen Ende Juli zugeht. Die Zeit fliegt förmlich und unsere ToDo-Liste vor der Abreise ist noch lang. Wir hatten vor kurzem unseren Flug nach Japan gebucht und wussten zugleich, dass wir uns 2 Wochen im Land der aufgehenden Sonne aufhalten würden. Die 2 Wochen waren von unserem Japan Rail Pass quasi vorgegeben. Viel länger wollten wir dort ohnehin nicht verbringen, besonders da Japan kein günstiges Reiseland ist und wir unser Budget anfänglich zu schonen versuchen. Es war also allerhöchste Eisenbahn uns um unser China-Visa zu bemühen. Es stellte sich schnell heraus, dass das Visum nicht einfach nur ein einseitiges Formular war. Auf den vier Seiten wurde unter anderem der Nachweis der Ein- und Ausreise, sowie die Buchungsbestätigung sämtlicher Aufenthaltstage gefordert. Einen verhältnismässig günstigen Einreiseflug von Osaka nach Peking hatten wir schnell gefunden und gebucht. Da wir aber quer durch das Land reisen und schliesslich von der südlichen chinesischen Grenze nach Vietnam laufen wollten, sah ich noch einige Probleme auf uns zu kommen.

 

Roadmap

Julia durchforstete das Internet nach gängigen Routen, atemberaubenden Plätzen und Must-Does in China. Ich für meinen Teil wollte die chinesische Mauer sehen, die verbotene Stadt besuchen und nicht gekidnappt werden. Julia fand tatsächlich wunderschöne Dörfer und Sehenswürdigkeiten und zwar fernab vom Massentourismus und überfüllten Zentren. Nachdem die Route klar war, mussten wir lediglich die Hostels oder entsprechende Übernachtungsalternativen in jenen Regionen buchen. Somit war der Teil mit der Einreise und den Übernachtungsnachweisen erledigt. Das Problem war die Ausreise.

 

Die Ausreise zu Fuss

Julia informierte sich per E-Mail bei der chinesischen Botschaft in Bern, ob eine Ausreise zu Fuss von Hekou (China) nach Lao Cai (Vietnahm) möglich wäre. Zu unserem Erstaunen erhielten wir eine erfreuliche Nachricht. Es war an sich möglich die Grenze auf dem Fussweg zu überqueren, es bedarf aber einen Nachweis, dass man sich an jenem Tag in Hekou befindet. Der beste Nachweis war eine Übernachtung bzw. ein Zugticket nach Hekou. Wir organisierten sämtliche Zugverbindungen für die gesamte Reise, die Anreise nach Hekou eingeschlossen. Läuft soweit.

 

Flug als keine Alternative

Wir hatten schnell bemerkt, dass die landesinternen Flugverbindungen teuer, sehr teuer waren. Die Volksrepublik China duldet wohl keine EasyJet oder andere Budget Fluggesellschaften. Die günstigsten Reisewege war jene mit den Zügen und Bussen. Züge waren vergleichsweise erschwinglich und anscheinen komfortabel. Auf der TravelChinaGuide-Website konnten wir unsere Zugverbindungen selber zusammenstellen und in Auftrag geben. Bald darauf erhielt ich eine höfliche Buchungsbestätigung wonach wir all unsere Zugtickets am erstmöglichen Bahnhofsschalter in Peking beziehen können.

 

Fake-Buchungen

Es wäre an sich auch denkbar gewesen sämtliche Buchungen, also sowohl die Ein- und Ausreiseflüge wie auch die Übernachtungen, zu buchen und nach dem Erhalt des Visa wieder zu stornieren. Flüge- und Hotelbuchungen lassen sich heutzutage problemlos stornieren. Oftmals zu einem vernachlässigbaren geringen Betrag oder sogar ganz kostenlos. Aber irgendwann mussten wir die Übernachtungs-Buchungen ja tatsächlich vornehmen und da in China der grösste Teil des Internets zensiert oder gesperrt ist, hatten wir einen gewissen Respekt spontane Buchungen vor Ort zu tätigen. Des weiteres wussten wir, dass wir mit unserem Englisch in China genauso ausgeliefert waren wie ein Chinese in Europa mit seinem Mandarin. Aus diesen Gründen entschieden wir uns gegen solche Fake-Buchungen.

 

Die Botschaft in Bern

Nachdem wir unser vierseitiges Antragsformular ausgefüllt und die Passfotos gemacht hatten, wurde es ernst. Die Anträge müssen bei der Visa-Antragsstelle in Bern von mindestens einem Antragsteller persönlich abgegeben werden. Es war ein Freitagvormittag, ich hatte mir den Vormittag frei genommen, als ich die Botschaft in Bern aufsuchte. Ich irrte also im beeindruckend Botschaftsviertel in Bern umher, als ich kurz darauf, dank GoogleMaps, vor der Botschaft der Volksrepublik China stand. Bis auf die bekannten roten chinesischen Lampen und gefühlten 250 Überwachungskameras, sah das Gebäude aus wie jeder andere kleine Palast in diesem Viertel. Ich suchte also nach dem Eingang, als mich ein Angestellter der Botschaft höflich und mit einem chinesischen Akzent in einer beeindruckenden Lautstärke ansprach: „Visa? you go around the corner!„. Alles klar. Ich also um die Ecke und da war sie, die Türe zur Halle mit den Schaltern für die VISA-Anträge. Ich reite mich hinter einer der beiden Schlangen ein. Die Schlange endete am Schalter, welche mit einem – in fetten Buchstaben gedruckten – VISA-Schild versehen war. Vor meinem geistigen Auge stellte ich mir vor, wie auch dieses mit fetten Buchstaben geschriebenen VISA-Schild mich förmlich anschrie – VISA, YOU WAIT HERE! Blödes Kopfkino.

 

Die Begegnung am Schalter

Am Schalter angekommen wollte ich mit einem akzentfreien Ni Hao, punkten. Ni Hao bedeutet einfach übersetzt Hallo auf Mandarin. Als Antwort kam von der gut gelaunten Angestellten ein trockenes, mit einem fiesem schmunzeln versehenes guten Morgen! So, da lag ich wohl 0:1 hinten. Nach unserem ersten Beschnuppern überreichte ich ihr voller Stolz den Antrag begleitet von sämtlichen gewünschten Dokumente. Die nette Angestellte, ich nenne sie mal Mi-Ling, war eine Dame um die 30, etwa 1.55m gross, schwarze, streng nach hinten gebundene Haare. Auf der Nase trug sie eine Brille mit einer gefühlten Korrektur von Dioptrien -6. Richtig fette Gläser waren in dieses Brillengestell eingearbeitet. Nun gut, mir gegenüber war sie sehr freundlich und für mich zählte nur den Antrag durchzubekommen.

 

Der Antrag

Ihr geschultes Auge bemerkte hier und da ein fehlendes Kreuz oder eine unvollständige Angabe, was ich sofort ergänzte. Der Antrag war OK, die Flugbestätigung für den Einreiseflug auch OK. Die Buchungsbestätigungen für die Übernachtungen – und das waren so einige Seiten – ebenfalls lückenlos. Nun ging es um die Wurst. Als Ausreisebestätigung hatte ich lediglich die Buchungsbestätigung für das Zugticket nach Hekou und die gedruckte E-Mail mit der Zusage, dass eine solche Grenzüberquerung zu Fuss möglich sei. Mi-Ling stand hinter dem Schalter auf, richtete ihre Brille und entschuldigte sich. Nach einer kurzen Rücksprache mit Ihrer Kollegin, nickten beide lächelnd. Gutes Zeichen dachte ich mir. Sie setzte sich also wieder auf Ihren Stuhl bestätigte, dass dies soweit passt. COME ON!!! Sie händigte mir den Abholschein aus und meinte, dass die Pässe ab dem kommenden Mittwoch zur Abholung bereitstanden. Bezahlt wird bei Abholung nur mit Karte, kein Cash. Danke und ihnen einen schönen Tag, nächster!

 

Alles für einen Sticker

Am darauffolgenden Donnerstag, war es soweit. Ich machte mich wieder auf den Weg zur chinesischen Botschaft nach Bern, um unsere Pässe mit den eingeklebten Visa abzuholen. Bei der Botschaft angekommen wusste ich ja den Weg „around the corner“ bereits. Stolz mit meinem Abholschein in der Hand überholte ich in der Halle die gesamte Schlange, welche an jenem Tag richtig lang war, und begab mich direkt zum Schalter PICK-UP. Natürlich war auch dieses Schild in fetten Buchstaben gedruckt. Mir sollte es recht sein. Der bevorstehende Tanz sollte ein kurzer werden. Das Ni Hao sparte ich mir diesmal und gab ein zwangloses „good morning“ von mir. Mit einem stummen Nicken wurde mir der Schein abgenommen. Im Gegenzug erhielt ich die beiden Pässe mit der Bitte – Please Check! Alles klar, ich suchte also das VISA und da war es, auf der Seite 26 in meinem Pass eingeklebt. Wie gewünscht habe ich die beiden Pässe begutachtet und keinen Fehler gefunden.  Yes everything is correct. Daraufhin habe ich die 2 x 70.– mit der Karte bezahlt, die Pässe eingepackt und die Botschaft breitgrinsend verlassen. Was für ein geiles Gefühl!

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